Die Corona-Krise hat unseren Alltag verändert und das öffentliche Leben quasi zum Stillstand gebracht. Das geht auch an der Wirtschaft nicht spurlos vorbei. Welche Maßnahmen sind nötig, um die Krise zu bewältigen? Unveröffentlichter Auszug aus Mythos Geldknappheit (Stand Mai 2020).
Um die bestmögliche Therapie zu verordnen, bedarf es einer sorgfältigen Diagnose. Im Jargon der Volkswirte wird bei der Diagnose zwischen Angebots- und Nachfrageschock unterschieden. Ein Angebotsschock bezeichnet eine sprunghafte Erhöhung der Produktionskosten (z.B. aufgrund steigenden Ölpreises) oder eine Reduzierung der Produktionsmenge (z.B. durch Ernteausfälle). Ein Nachfrageschock hingegen beschreibt einen Rückgang der Konsum- oder Investitionsausgaben und liegt meistens in einer Reduzierung der Einkommen (z.B. durch drastische Lohnkürzungen) oder in einem erhöhten Sparverhalten (z.B. durch Unsicherheit über die Sicherheit des Arbeitsplatzes) begründet.
Wie lautet die Diagnose?
Die Corona-Krise ist eine Kombination aus Angebots- und Nachfrageschock. Krankheitsausfälle, Quarantäneverordnungen und Geschäftsschließungen haben zu Produktionsausfällen entlang der arbeitsteilig und global aufgestellten Lieferketten geführt. Wenn Unternehmen weniger produzieren können (bzw. dürfen), benötigen Sie auch weniger Mitarbeiter, sodass es zu einem drastischen Anstieg von Kurzarbeit und vermehrten Entlassungen gekommen ist. Während Umsatzeinbrüche das Einkommen der Unternehmen gesenkt haben, haben Kurzarbeit und Entlassungen das Einkommen der Arbeitnehmer reduziert. Dazu hat die allgemeine Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung zu einem höheren Sparverhalten geführt. Aus einem Angebotsschock wurde so ein Nachfrageschock.
Wie sieht die Therapieempfehlung aus?
Um nach der Krise schnellstmöglich wieder in den „Normalbetrieb“ zurückzukehren, ist es jetzt wichtig, Insolvenzen und Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Eine Kündigungswelle, die nach der Krise mit einer Einstellungswelle einherginge, wäre vermeidbarer Aufwand und einer schnellstmöglichen Erholung nach der Krise abträglich. Im Idealfall sollten die Einkommensströme und die Arbeitsbeziehungen weitestgehend konserviert werden.
Hierzu sollte das Kurzarbeitergeld auf 100% erhöht werden. Der Staat nähme also die Löhne der betroffenen Arbeitnehmer für die Zeit der Krise auf die eigene Gehaltsliste. Da die Arbeitnehmer die Krise nicht zu verantworten haben, ist es nur gerecht, dass von Kurzarbeit betroffene Arbeitnehmer keine Einkommensbußen erfahren müssen. Zusätzlich sollte der Staat die Gewinnausfälle der Unternehmen und der Selbstständigen (inkl. kreativen Freiberufler) kompensieren, also die Gewinne aus der jüngeren Vergangenheit für die Überbrückung der Krise fortschreiben. Das gilt insbesondere, aber nicht ausschließlich, für jene Bereiche, die von pandemiebedingten Geschäftsschließungen betroffen sind. Dazu sollten Zuschüsse in Höhe der Fixkosten der Unternehmen (zur Liquiditätssicherung) plus nachweisbare Gewinne aus der jüngeren Vergangenheit ― im Zweifelsfall aus der letzten Steuererklärung ― ausgezahlt werden. Es braucht eine monetäre Brücke über den Abgrund.
Ebenso wurde offenbar, dass Bezieher von Transferleistungen aufgrund der pandemiebedingten Schließung der Tafeln mächtig unter Druck geraten. Die Sicherung des Lebensstandards darf nicht von ehrenamtlichen Initiativen wie der Tafel abhängen. Das ist eine Bankrotterklärung für den Sozialstaat. Die Hartz-IV-Sätze und die Grundsicherung müssen umgehend erhöht werden.
Nebst diesen Überbrückungsmaßnahmen sollte eine Ausweitung der staatlichen Beschäftigung zur Adressierung der Pandemie und Förderung des Gemeinwohls erwogen werden. Angesichts der Hygienevorschriften und Kontaktverbote sind die möglichen Aufgabenbereiche gewiss eingeschränkt, dennoch existieren auch unter diesen Bedingungen viele gemeinwohlorientierte Beschäftigungsmöglichkeiten, für die Arbeitssuchende mobilisiert werden könnten. So bietet sich etwa an, Lücken in der öffentlichen Daseinsvorsorge, die heute durch ehrenamtliche Initiativen gefüllt werden, als staatliche Aufgabe wahrzunehmen und entsprechend zu organisieren und zu vergüten. Weitere Beispiele wären die personelle Aufstockung im Pflege- und Gesundheitsbereich, die staatliche Produktion von medizinisch relevantem Material sowie die Einrichtung von Notfall-Hotlines zur Bereitstellung von Informationen, zur Durchführung von telefonischen Gesundheitschecks oder zur mentalen Begleitung von Menschen, die aufgrund der sozialen Isolation an physischen oder psychischen Gesundheitsproblemen leiden. Ferner könnten Unternehmen in der Einhaltung von Hygienevorschriften von staatlich organisiertem Personal unterstützt werden. Die verschärften Vorschriften bedeuten zusätzliche Kosten für die ohnehin gebeutelten Unternehmen. Dadurch entsteht ein systemischer Anreiz, möglichst wenig Ressourcen für die Einhaltung zu verwenden. In der Praxis leidet dann die Umsetzung. Grund genug also, Arbeitssuchende zu schulen und mit dieser in Pandemiezeiten elementar wichtigen Aufgabe zu betrauen.
Wiederbelebung nach der Krise
Sobald die Quarantäne- und Kontakteinschränkungen gelockert werden und der Weg zur „Normalität“ in Sichtweite ist, benötigt es starke Impulse, um der Wirtschaft wieder Leben einzuhauchen. Da private Unternehmen nach solchen Durststrecken und der bestehenden Unsicherheit üblicherweise nur sehr verhalten die eigenen Investitionen wieder hochfahren, bedarf es eines ambitionierten staatlichen Investitionsprogramms. Dieses sollte auf die dringend benötigte ökologische Transformation der Wirtschaft ausgerichtet sein. Die vorherige Ausweitung der staatlichen Beschäftigung kann hierzu in eine Jobgarantie mit Ausrichtung auf grüne und gemeinwohlorientierte Tätigkeiten überführt werden. Die so hergestellte Vollbeschäftigung würde die Wirtschaft ankurbeln und in Richtung ökologischer Nachhaltigkeit führen. Private Unternehmen würden sich an der neuen Ausrichtung orientieren und mit eigenen Investitionen auf den Zug aufspringen können.
Autor: Maurice Höfgen
Photo by Tatiana Rodriguez on Unsplash