Versuch einer „richtigen“ Antwort auf eine „falsche“ Frage aus Sicht der Modern Monetary Theory
Das Jahr 2020 war geprägt von der COVID-19-Pandemie und ihren wirtschaftlichen Folgen. In Deutschland stiegen staatliches Defizit sowie die Schuldenquote infolge des Rückgangs der Wirtschaftsleistung auf geschätzt 5 % bzw. 75 % des BIP an. Um die wirtschaftliche Erholung von der Pandemie nicht durch die Rückkehr zu einem rigiden Sparkurs zu gefährden, ist es jetzt von besonderer Bedeutung, sich von falschen Vorstellungen bezüglich der Finanzierung sowie der Nachhaltigkeit staatlicher Ausgabenüberschüsse zu verabschieden. Nur so können die Weichen für eine Wirtschaftspolitik des 21. Jahrhunderts richtig gestellt werden.
Die Frage der Finanzierung der Staatsverschuldung zielt darauf ab, ob der Anstieg der Schulden langfristig zu einem Problem werden könnte, sofern man die Schulden in Zukunft nicht zurückzahlen bzw. durch neue Schulden ersetzen kann. Dieses Denken basiert im Kern auf der Theorie, nach der sich ein Staat finanzieren kann, indem er 1. Steuern einnimmt, 2. Staatsanleihen emittiert oder 3. seine Ausgaben von der Zentralbank bezahlen lässt. Allerdings sichert lediglich Fall 1 in der klassischen Theorie eine (langfristig) nachhaltige Staatsfinanzierung. Fall 2 kann bei zu hohen Ausgaben zu einem explosiven Pfad der Staatsschuldenquote führen. Bei steigender Schuldenquote würden private Investor:innen immer höhere Zinsen verlangen, die durch eine weitere Schuldenaufnahme gedeckt werden müssten. Wird eine Zahlungsunfähigkeit befürchtet, wird der Staat kein Geld mehr bekommen und eine Insolvenz wäre unausweichlich. Die Finanzierung über die Zentralbank (Fall 3) würde angeblich zu einer sicheren Hyperinflation führen.
Heute wissen wir, dass die Verdreifachung des staatlichen Defizits der USA von etwa 1 Billion US-$ (2019) auf 3 Billionen US-$ (2020) jedoch völlig reibungslos verlief. Das staatliche Defizit der USA im zweiten Quartal 2020 betrug dabei 27,5 %. Die Verzinsung von Staatsanleihen fiel, die Inflation blieb niedrig und der Außenwert des US-Dollars nahm zu. Offenbar hat der Anstieg der Staatsverschuldung zu keinem der befürchteten Probleme geführt.
Diese Entwicklung steht im Einklang mit den Ideen der Modern Monetary Theory (MMT). Sie sieht das staatliche Defizit als eine rein statistische Größe an, die das Ergebnis der wirtschaftlichen Aktivitäten ist und daher nicht zur Zielgröße gemacht werden sollte. Dies gilt auch, weil der Staat die ihm zufließenden Steuereinnahmen ohnehin nicht direkt kontrollieren kann. In der Corona-Pandemie fielen diese deutlich geringer aus als erwartet wurde.
Modern Monetary Theory
Die MMT wurde vor ziemlich genau 25 Jahren vom US-amerikanischen Investor und Rennwagenkonstrukteur Warren Mosler aus der Taufe gehoben. Seine wesentliche Einsicht war, dass eine moderne Währung ein staatliches Monopol ist. Dieses ist heute meist an (staatliche) Zentralbanken übertragen, die als Bank des Staates fungieren. Sie bezahlen die Rechnungen der Regierung, indem sie das Guthaben von Banken bei der Zentralbank erhöhen und diese im Gegenzug den Zahlungsempfängern Einlagen gutschreiben. Da Zentralbanken als Schöpferinnen der Währung agieren, können sie ihre Ausgaben gar nicht „finanzieren“ – es entsteht immer neues Geld (sowohl Einlagen wie auch Zentralbankguthaben), wenn sie Ausgaben im Auftrag der Regierung tätigen. Dies gilt auch für Deutschland innerhalb der Eurozone: Die Bundesbank tätigt alle Ausgaben der Bundesregierung in deren Auftrag. […]
Autor: Dirk Ehnts, Michael Paetz