Wer arbeiten will, soll auch die Möglichkeit dazu haben – das ist die grundlegende Idee der Jobgarantie. Ist sie das bessere Grundeinkommen?
Jeden Tag zur Arbeit zu gehen, das ist für viele eine lästige Pflicht. Für andere bedeutet es aber die Möglichkeit, fest in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein. Arbeitslosigkeit, so wie sie heutzutage aussieht, macht viele Menschen krank – das zeigen auch Studien.
Die Idee einer Jobgarantie für alle klingt deswegen für manche verlockend, für andere problematisch. Sie bedeutet, ein formales Recht auf einen Arbeitsplatz zu haben. Alle Menschen sollen arbeiten dürfen, wenn sie es möchten – zu einem Lohn, von dem sie gut leben können.
Klingt alles noch ziemlich theoretisch? Lasse es mich konkreter machen, wie die Jobgarantie aussehen könnte. Wie mehr Arbeit ausgerechnet mit einer grüneren Welt vereinbar sein soll und wo mögliche Kritikpunkte liegen. Zusammen mit René Schubert und seinen Freunden versuche ich, dem Konzept Leben einzuhauchen.
René ist, wie alle auftauchenden Charaktere, ein komplett ausgedachter Mensch, und auch die Geschichte, die ich dir erzähle, ist ausgedacht, aber versucht so nah an der Idee der Jobgarantie zu bleiben wie möglich. Es geht dabei um die Grundidee und nicht um bereits existierende Experimente.
Filterkaffee und viel Zeit
Es ist 9 Uhr, ich mache mir eine Kanne Filterkaffee. Meine Frau Linda hat heute die Spätschicht im mobilen Pflegedienst. Ich fülle ihr einen Thermobecher, lächle und verabschiede sie. Die Tür fällt hinter ihr zu. Stille. Es sind jetzt 5 Monate vergangen, seit sie mich abgeschaltet haben. Stillgelegt wie einen veralteten Linienbus oder ein Kohlebergwerk, das ausgedient hat. Mein Bergwerk war die DKG-Privatversicherung. Ich habe Kontakte zu den Kund:innen gehalten und ihnen geholfen, wenn es Probleme gab. Habe sie telefonisch beraten, wenn sie Hilfe brauchten. Vorbei.
Chatbots und andere KI machen heute meinen Job. Sie wurden an- und ich, René Schubert, mit 51 Jahren abgeschaltet. Ein neuer Job ist bisher nicht in Sicht. Menschen sind in meinem Bereich nur noch selten gefragt.
Anfangs hatte ich meine Tage streng strukturiert. Morgens laufen gehen, danach Bewerbungen schreiben. Anschließend war immer noch genug Zeit, um meinem geheimen Traum nachzugehen. Jetzt war endlich Zeit, den Roman zu schreiben, der immer in der Schublade auf meine Rente gewartet hatte, über dessen erste paar Kapitel ich aber nie hinausgekommen bin. Unsere Söhne sind zwar vor 2 Jahren ausgezogen und studieren jetzt, aber mehr Zeit hatte ich damals irgendwie trotzdem nicht. Dafür habe ich jetzt zu viel davon.
Die Jobgarantie wird populär
Die Idee der Jobgarantie ist zuletzt durch linke Demokrat:innen in den USA wie Alexandria Ocasio-Cortez oder Bernie Sanders bekannt geworden. Sie gilt als Alternative zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen. In ihrer neuen Form stehen vor allem Vertreter:innen der Modern Monetary Theory (MMT) hinter dem Konzept. Eine Vordenkerin ist die US-Ökonomin Pavlina Tcherneva, die eine Jobgarantie auch als Instrument sieht, um Konjunktur und Inflation zu stabilisieren. Ihr Buch »Plädoyer für eine Jobgarantie« ist auch auf Deutsch erschienen.
Jetzt, nach ein paar Tagen des gelegentlichen Tippens und überwiegenden An-die-Wand-Starrens ist klar: In mir schlummert wohl doch kein Kafka.
Seit ein paar Tagen macht mein linkes Knie nicht mehr richtig mit, es ist angeschwollen, der Arzttermin gebucht. Ich laufe also nicht mehr, mache dafür einen längeren Mittagsschlaf und surfe viel im Internet. Das Web umspannt zwar die ganze Welt, aber jetzt klicke ich hier herum und habe das Gefühl, ich hätte es schon durchgelesen. Eigentlich sind es doch nur 5 Websites, die ich benutze, wenn ich ehrlich bin. Wenn mich mal jemand unvermittelt nach dem Wochentag fragen würde, könnte ich das an den meisten Tagen wahrscheinlich nicht beantworten.
Heute schon. Es ist Dienstag und ich habe einen Termin im Jobcenter. Nico, der Kellner meiner Stammbar »Lola«, hat mich darauf gebracht. Seit einem Jahr gibt es die Jobgarantie. Theoretisch heißt das: Alle, die arbeiten wollen, kriegen auch einen Job. Vielleicht ist etwas für mich dabei. […]
Autor: Benjamin Fuchs auf Basis eines Interviews mit Maurice Höfgen
Photo by David Siglin on Unsplash