Die MMT ermöglicht eine neue Sicht auf den finanziellen Handlungsspielraum des Staates. Was bedeutet das für die öffentliche Daseinsvorsorge? Eine Leseprobe aus »Mythos Geldknappheit«.
»Die Geschichten, die über den Staat erzählt werden, haben sein Vertrauen untergraben, die Rolle, die er bei der Gestaltung der Wirtschaft spielen kann, eingeschränkt, seinen Beitrag zur nationalen Wertschöpfung unterbewertet und ungerechtfertigt zu übermäßigen Privatisierungen und Auslagerungen geführt […].« Mariana Mazzucato
Die neoliberal geprägte Politik, die nicht zuletzt durch das neoliberale Wettbewerbsverständnis der Europäischen Union beflügelt wurde, hat den Staat mit Austeritätsprogrammen und ideologisch motivierten Privatisierungen ausgemergelt. Die Prekarisierung von öffentlicher Daseinsvorsorge, die über das gesamte Spektrum öffentlicher Güter und Dienstleistungen stattgefunden hat, sorgt für eine spürbare Belastung der Lebensumstände der Bevölkerungsmehrheit.
Besonders betroffen ist – wie bei so vielen durch neoliberale Politik hervorgerufenen Problemen – der einkommensschwache Bevölkerungsteil, der die zurückgebaute öffentliche Daseinsvorsorge eben nicht mit privaten Ersatzleistungen kompensieren kann. Das ist umso ärgerlicher, sobald man erkennt, dass die Ursachen nicht in technischen oder finanziellen Hürden, sondern in ökonomischem Unwissen, Partikularinteressen und ideologischem Gruppendenken (»Groupthink«) zu verorten sind. Ein modernes Verständnis des Geldsystems deckt dies schonungslos auf.
Entgegen der verbreiteten Meinung ist der Rückbau des Sozialstaates und dessen öffentlicher Daseinsvorsorge keine Folge einer Knappheit an finanziellen Ressourcen oder anderweitigen, ökonomischen Notwendigkeiten. Der Staat hat sich selbst in seinen Fähigkeiten beschnitten, um der Ideologie des Neoliberalismus zu entsprechen. Zu diesem Zweck wurde der Staat als lahm, träge, aufgebläht und ineffizient diskreditiert und dessen Rolle auf Eingriffe im Krisenfall sowie zur Herstellung öffentlicher Sicherheit reduziert. Wie Mariana Mazzucato aber in ihrem Buch »Das Kapital des Staates – Eine andere Geschichte von Innovation und Wachstum« eindrucksvoll vorführt, ist dieses Bild unpassend – denn der Staat trat in der Vergangenheit durchaus als dynamischer Unternehmer im Bereich der Grundlagenforschung auf, aus der diverse bahnbrechende Innovationen, wie das Internet, hervorgingen. […]
Autor: Maurice Höfgen
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