China droht eine neue Finanzkrise – so heißt es oft. Dass Peking eine große Finanzkrise bewältigen könnte, wird selten debattiert. Dabei ist die chinesische Regierung in ihren Ausgaben in eigener Währung nicht begrenzt. Es ist undenkbar, dass die chinesische Zentralbank sich als Schöpferin des Yuan weigert, die Zahlungen der chinesischen Regierung durchzuführen.
Seit Jahren gibt es immer wieder Spekulationen darüber, in China könnte eine Schuldenblase platzen. Forbes prognostizierte 2016, dass in China im Folgejahr “große Blasen platzen” würden, BusinessInsider sah “einen wilden Schuldenboom, der das rasante Wachstum Chinas und der Schwellenländer befeuerte und bereits geplatzt sein könnte” (2019), die South China Morning Post fragte: „Wird Chinas schuldengetriebene Wirtschaftsblase irgendwann platzen?“ (2020). Garniert wurden diese Texte gerne mit Statistiken, welche die steigenden privaten und staatlichen Schulden zeigen. Der theoretische Gehalt dahinter ist zumeist dünn. Dies ist keineswegs verwunderlich. Schließlich würde derjenige, der Finanzkrisen genau vorhersagen könnte, damit schnell zum Milliardär. Ob es in China eine Finanzkrise geben wird? Sehr wahrscheinlich ja. Wann? Das ist fast unmöglich vorherzusehen.
Viel wichtiger als die Frage, ob und wann eine Finanzkrise kommt, dürfte die Frage sein, ob die chinesische Regierung damit umgehen könnte. Die letzte große Finanzkrise von 2008/09 wurde in China relativ schnell überwunden. Der fiskalische Stimulus von umgerechnet mehr als 500 Mrd. US-Dollar war ausreichend, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen. Der politische Wille zur Ausweitung der Staatsausgaben war vorhanden, im Gegensatz zur Eurozone, welche den nationalen Regierungen Austeritätsprogramme aufzwang. Griechenland und Italien hatten so auch 2019 noch nicht ihr jeweiliges Produktionslevel von 2007 erreicht. Die Frage ist nun, ob eine Finanzkrise in China die chinesische Regierung überfordern könnte. Wird ihr bei einer großen Finanzkrise das Geld ausgehen – wie es in Griechenland im Nachlauf der Finanzkrise von 2007/08 der Fall war? Drohen die Schulden der Regierung die Luft abzuschnüren?
Wohl kaum. Denn die chinesische Regierung ist in ihren Ausgaben in chinesischer Währung nicht beschränkt. Die chinesische Zentralbank (People’s Bank of China (PBoC)) und die chinesische Regierung sind institutionell stark verflochten. Es ist daher undenkbar, dass die PBoC sich weigert, in einer Krise die Ausgaben der chinesischen Regierung zu bezahlen.
Wie Staaten Geld schöpfen
Um das genauer zu verstehen, müssen wir uns anschauen, wie Staaten Geld ausgeben. Während die Lehrbücher davon ausgehen, dass sich Regierungen über Steuern, Staatsanleihen oder die Notenpresse finanzieren, sieht die Realität anders aus. Die Zentralbank eines Staates – hier also die People’s Bank of China – ist Schöpferin der Währung, denn sie verwaltet das Zahlungssystem. Dieses ist eine gewaltige Tabelle, in der die Zentralbank eines Landes einträgt, wer wie viel Yuan, US-Dollar oder Euro hat. Das Geld auf Konten der Zentralbank wird Reserven genannt. Diese Reserven lassen sich umtauschen in Bargeld. Private und staatliche Banken und auch Regierungsstellen führen also bei der Zentralbank ihre Konten. Sie benutzen Reserven, um so an Bargeld für ihre Kundinnen und Kunden zu kommen und um deren Überweisungen durchzuführen. Die Zentralbank kann diese Konten nach ihren Regeln erhöhen, wenn sich beispielsweise Banken gegen eine Sicherheit per Kredit Reserven von der Zentralbank leihen.
Wichtig zu wissen ist: Die Zentralbank bezahlt – im Auftrag des jeweiligen Finanzministeriums – die Rechnungen der jeweiligen nationalen Regierung, indem sie das Guthaben auf dem Konto einer Bank erhöht. Diese wiederum erhöht das Guthaben auf dem Konto des Empfängers (Firma oder Person) und begleicht die Rechnung. Für diesen Prozess muss ein Staat keine Anleihen ausgeben oder Steuern einnehmen. Dabei ist es zudem undenkbar, dass sich die PBoC weigert, die Zahlungen der chinesischen Zentralregierung durchzuführen. Der Vorsitzende des chinesischen Staatsrates schlägt Gouverneur und Stellvertreter der Zentralbank vor. Der politische Wille, eine Finanzkrise zu bekämpfen, wird wohl vorhanden sein. Aber was passiert, wenn es die größte Finanzkrise der Menschheitsgeschichte werden würde? […]
Autor: Dirk Ehnts
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