Im Januar 2021 ist es genau 25 Jahre her, dass der US-Investor und Autokonstrukteur Warren Mosler über das Internet nach Akademikerinnen suchte, um mit ihnen über seine geldtheoretischen Ideen zu sprechen. Wie sich herausstellte, hatte Mosler Fragmente der Wirtschaftstheorie des frühen 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und darüber hinaus Thesen aufgestellt, welche die heutigen Lehrbücher auf den Kopf stellen. Die Relevanz für das 21. Jahrhundert ist hoch – ohne das richtige Geldverständnis werden wir weder Ungleichheit noch Klimawandel effektiv bekämpfen können.
Die Behauptung, dass eine Theorie, die Probleme erschaffen hat, bei der Beseitigung dieser Probleme keine Hilfe sein kann, wird häufig Albert Einstein in den Mund gelegt. Unabhängig davon, ob er dies wirklich gesagt hat, ist die Aussage richtig. Trifft dies auf eine ökonomische Theorie zu, erschaffen wir bei der Bekämpfung der jeweils aktuellen Probleme fast zwangsläufig neue, mit denen sich dann irgendwann die kommenden Generationen auseinandersetzen müssen. Es passiert nicht allzu häufig, dass wir unsere theoretische Linse auswechseln. Nun, so scheint es, ist es allerdings wieder so weit.
Die meist als neoklassische oder auch neoliberale Theorie bezeichnete Linse scheint die Probleme der 1970er Jahre vermeintlich gelöst zu haben. Die Inflationsraten sind unter Kontrolle, und der mutmaßlich ineffiziente Staat wird durch Schuldenbremsen, Stabilitäts- und Wachstumspakt, unabhängige Zentralbank sowie Geldpolitik mit Inflationsziel in seine Schranken verwiesen. Auch wenn die versprochenen höheren Wachstumsraten des BIP ausblieben, so ist der Sieg der neoliberalen Theorie scheinbar alternativlos gewesen.
Der Preis dieses „Erfolgs“ wird allerdings immer deutlicher: Die Machtverschiebung von ArbeitnehmerInnen und Gewerkschaften hin zu Unternehmen ist mit großen sozialen Verwerfungen verbunden. Die Einkommens- und Vermögensschere klafft immer weiter auseinander. Hinzu kommen große ökologische Probleme.
In dieser Situation lohnt sich ein Blick auf die Modern Monetary Theory, die unabhängig von all diesen Überlegungen Anfang der 1990er Jahre von Warren Mosler angestoßen wurde. Als Investor wunderte sich Mosler über folgenden Sachverhalt. Die italienische Zentralbank vergab Kredite zu einem Zins von 10%. Gleichzeitig verkaufte sie Staatsanleihen des italienischen Finanzministeriums, welche mit 12% verzinst waren. Warum, so Mosler, sollten Investoren nicht einen Kredit bei der Banca d’Italia aufnehmen und das Geld in italienische Staatsanleihen investieren? Bei Fälligkeit der Anleihen würde die Rückzahlung in die Tilgung des Zentralbankkredits fließen, der Rest ist Gewinn. Sofern die Fälligkeit der Anleihen und des Zentralbankkredits identisch sind, wäre dieser Gewinn garantiert. Sollte der Wechselkurs der Lira zum US-Dollar zwischenzeitlich absacken, wären die Gewinne in Dollar gerechnet weniger wert, aber sie wären immer über Null. Zu gut um wahr zu sein?
Der Beginn mit Warren Mosler
Warren Mosler setzte sich mit Zentralbankern und Beamten aus dem Finanzministerium zusammen. Ergebnis: Der italienischen Regierung kann die eigene Währung nicht ausgehen, sie kann immer Zahlungen in italienischer Lira tätigen. Dabei schöpft die Zentralbank bei Ausgaben der Regierung in dessen Auftrag neues Geld in Form von Zentralbankeinlagen in Besitz von Banken. Über Steuerzahlungen wird dieses Geld wieder aus dem Verkehr gezogen – diese dienen also keineswegs der Finanzierung des Staates. Die Ausgabe von Staatsanleihen sichert einen risikolosen Zins, der für die Steuerung der Wirtschaft von Bedeutung ist. […]
Autor: Dirk Ehnts
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