Derzeit etabliert sich in der Wirtschaftswissenschaft eine neue Denkschule: die Modern Monetary Theory (MMT). Neu an ihr ist die empirische Betrachtung von Finanzsystem und Makroökonomie. Eine zentrale Erkenntnis: Der moderne Staat – bestehend aus Regierung und Zentralbank – kann unbegrenzt Ausgaben tätigen. Was folgt daraus?
Ein Interview von ÖkologiePolitik mit Dr. Dirk Ehnts
ÖkologiePolitik: Herr Dr. Ehnts, was haben Gemeinwohl und Ökologie mit unserem Geldsystem zu tun?
Dr. Dirk Ehnts: Geld ist die Grundlage unseres Wirtschaftens und damit auch unseres Umgangs mit begrenzten Ressourcen. Wir können unser Wirtschaften nach dem Profit ausrichten – oder nach dem Gemeinwohl. Für das Gemeinwohl ist vor allem der Staat zuständig: von der Verwaltung über das Schulsystem und Gesundheitssystem bis hin zum Umweltschutz. Für diese Aufgaben muss er Geld ausgeben: für Arbeitskräfte, Güter und Dienstleistungen, Grundstücke, Maschinen, Rohstoffe und Energie. Wünsche nach einer Ausweitung der staatlichen Ausgaben werden häufig mit dem Argument zurückgewiesen, es wäre dafür nicht genügend Geld da. Das stimmt jedoch nicht. Der Staat hat das Monopol auf seine Währung. Nur er darf Geld erzeugen. Und das bedeutet, dass er so viel Geld ausgeben kann, wie er braucht. Nur seine eigenen politischen Gesetze wie die Schuldenbremse oder die Defizitregeln des Stabilitäts- und Wachstumspakts hindern ihn daran. Tendenziell könnten wir aber in unserem Geldsystem die Wirtschaft sehr viel stärker am Gemeinwohl ausrichten, als viele das denken. Geld ist genügend da. Entscheidend ist der politische Wille! Ein Green New Deal ließe sich auch in Deutschland sofort angehen. Wir brauchen nicht darauf warten, dass die Reichen endlich ihren gerechten Anteil an Steuern zahlen. So viel Zeit haben wir auch nicht. Wir müssen unseren Planeten jetzt retten, nicht irgendwann in ferner Zukunft!
Warum sollte der Staat dann überhaupt noch Steuern erheben?
Der Staat sollte Steuern vor allem deshalb erheben, um die Inflationsrate gering zu halten. Will er zur Stärkung des Gemeinwohls seine Aktivitäten ausdehnen, dann wird er viele Ressourcen kaufen müssen. Will auch der private Sektor diese Ressourcen haben, steigen die Preise. Schlauer ist es, die Steuern zu nutzen, um Haushalten und Unternehmen Kaufkraft zu entziehen. Steuern dienen aus makroökonomischer Sicht zur Inflationsbekämpfung, nicht zur Finanzierung des staatlichen Haushalts. Steuern eignen sich aber auch dazu, Einkommen umzuverteilen, wenn die Einkommens- oder Vermögensverteilung ungerecht ist. Oder dazu, gesundheitsschädlichen Konsum zu verteuern – wie bei Alkohol und Tabak. […]
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