Wollen „Die Grünen“ keine faulen Kompromisse zwischen Staatsschulden und Klimaschutz riskieren, müssen sie ihre finanzpolitischen Positionen nachschärfen.
Die Grünen haben Konjunktur. Die nächste Regierungsbildung wird an ihnen wohl kaum vorbeiführen. Die offene Frage ist eher: Mit wem machen sie es? Schaut man in den Entwurf zum Wahlprogramm, bekommt man den Eindruck, dass konservative Kompromisse gleich mitgedacht werden. Das gilt besonders für den Finanzteil. Doch genau das könnte den Grünen gerade bei ihrem wichtigsten Thema – dem Klimaschutz – auf die Füße fallen.
1,5 Grad heißt die ökologische Zielmarke. Wenn man die Wirtschaft ökologisch umbauen möchte, muss man bereit sein, Geld auszugeben. Viel Geld auszugeben. Mehr Geld auszugeben, als man über Steuern einziehen kann. Das heißt: Die Staatsschulden müssen steigen, deutlich steigen. Es braucht eine öffentliche Investitionsoffensive, einen großangelegten Strukturwandel. Braune Wirtschaftsbereiche müssen grün werden. Der Kern der Herausforderung dabei ist, den Strukturwandel möglichst schnell zu schaffen, ohne Arbeitslosigkeit, Inflation und soziale Härten zu produzieren.
Dafür sieht der Wahlprogrammentwurf zusätzliche öffentliche Investitionen in Höhe von 50 Milliarden Euro pro Jahr vor. Das ist grundsätzlich begrüßenswert, wird der Sache aber bei genauerem Hinsehen nicht gerecht. Zum einen sind 50 Milliarden Euro wohl lange nicht ausreichend, um einen großangelegten Strukturwandel anzuschieben. Zum anderen widerspricht das dem sonst kommunizierten Vorhaben, die Wirtschaft schnellstmöglich (!) auf den 1,5 Grad Pfad bringen zu wollen.
Denn wie schnell der Umbau möglich ist, hängt nicht davon ab, ob der Staat sich 50 Milliarden zusätzlich leisten kann oder nicht. Das kann er! Es geht nicht ums Geld, sondern um die verfügbaren realen Ressourcen. Welche Qualität und Quantität von „Produktionsfaktoren“ stehen zur Verfügung? Wie steht es um die produktiven Kapazitäten bei Baufirmen, Planern, Großhändlern und Herstellern? Wie schnell können Bauprojekte geplant und freigegeben werden? Gibt es genügend Monteure und Ingenieure mit der passenden Qualifikation? Wie schnell können zusätzlich benötigte Arbeitskräfte ausgebildet werden? Kommen wir an die Rohstoffe, Materialien und Technologie, um Solarflächen, Bahnschienen und Stromtrassen auszubauen? Wo sind potenzielle Flaschenhälse? Darum geht es – nicht ums Geld. […]