Am 12. März 2020 entschied die Europäischen Zentralbank, den Leitzins in der Folge des Corona-Virus nicht weiter abzusenken. Die MarktteilnehmerInnen sollten endlich realisieren, dass die Geldpolitik am Ende ist und es nun einer fiskalischen Theorie der Stabilisierung der Wirtschaft bedarf. Glücklicherweise hat die Modern Monetary Theory (MMT) eine solche im Werkzeugkasten.
Die Wirtschaftspolitik verläuft in Zyklen, was den Instrumentenkasten anbelangt. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde erkannt, dass modernes Geld gemanagt werden muss. Eine staatliche Zentralbank steht in einer Finanzkrise als „lender of last resort“ bereit, um Banken bei der Versorgung mit Bargeld und Zentralbankgeld zur Seite zu stehen. So lassen sich „bank runs“ vermeiden – der „bail-out“ gehörte danach zum Standard-Repertoire der Zentralbanken.
Staatliche Stabilisierung der Wirtschaft
Auch die Idee, dass die Zentralbank den Zins kontrazyklisch hoch und runter bewegt, kommt aus der Zeit des frühen 20. Jahrhunderts. Dabei wird angenommen, dass Inflationsrate und Arbeitslosigkeit mehr oder weniger korrelieren, so dass es in der Theorie letztlich unwichtig sei, ob die Zentralbank den Zins in Bezug auf die Inflationsrate oder in Bezug auf Arbeitslosigkeit setze. In der Folge der Großen Depression wurde klar, dass der Staat mit seinen Ausgaben die Ökonomie stabilisieren kann — und sogar muss. Dabei springt der Staat ein, wenn die Ausgaben des privaten Sektors nicht hoch genug sind, um für Vollbeschäftigung zu sorgen. Dieser Zustand ist nach Keynes nicht temporär, sondern dauerhaft. Daher schlug Keynes eine „Sozialisierung der Investitionen“ vor, die heute Realität geworden ist. In den Bereichen Bildung, Gesundheit und weiten Teilen der Infrastruktur sind die Ausgaben der Regierung nicht mehr wegzudenken.
Der Paradigmenwechsel: von Vollbeschäftigung zu Preisstabilität
Erst in den 1970er Jahren wurde die keynesianische Wirtschaftspolitik durch eine Neubewertung der Geldpolitik ersetzt. Die Zentralbank wurde zum alleinigen Hüter über Inflation aufgewertet. Vollbeschäftigung wurde — mindestens inoffiziell — zum Sekundärziel. Das Wirtschaftswachstum sei dann optimal, wenn die Inflationserwartungen niedrig wären — so die damalige Haltung, die intellektuell und empirisch schon immer auf schwachen Beinen stand.
Praktisch sah die Wirtschaftspolitik wie folgt aus. Hohe Zinsen und passive Fiskalpolitik sorgten für hohe Arbeitslosigkeit. Dies reduzierte die Macht der Gewerkschaften und damit die Lohnzuwächse. Da die Inflationsrate wesentlich von den Wachstumsraten der Lohnstückkosten (Lohnkosten pro hergestellter Einheit an Output) abhängen, fielen diese im Gleichschritt. Die dadurch bedingte Nachfrageschwäche wurde dann wiederum durch Leitzinssenkungen zu bekämpfen versucht. Die Idee war, dass Unternehmen und Haushalte bei niedrigeren Nominalzinsen mehr kreditfinanzierte Investitionen durchführen und so die Wirtschaft ankurbeln würden. […]
Autor: Dirk Ehnts, Maurice Höfgen
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