Vollbeschäftigung sollte zentraler Markenkern linker Politik sein. Wer sie erreichen will, der braucht einen Plan. Ohne staatliches Jobgarantie-Programm bleibt das Recht auf Arbeit ein uneinlösbares Versprechen!
Für linke Parteien aus der Tradition der Arbeiterbewegung war das Ziel der Vollbeschäftigung jeher ein bedeutsamer Markenkern. Das scheint immer weniger der Fall zu sein. Linke Politik steht heute für einen ganzen Blumenstrauß an politischen Maßnahmen, aber immer weniger für eine brummende Wirtschaft und Vollbeschäftigung. Dabei ist genau das ein wichtiges Versprechen für die Mehrheit der Gesellschaft – allen voran für jenen mit kleinen Einkommen.
Denn eine brummende Wirtschaft bedeutet materielle Sicherheit und Aussicht auf gesellschaftlichen Aufstieg – und zwar über alle Identitätsprofile hinweg. Schon Dr. Martin Luther King Jr. forderte im Rahmen seiner Bürgerrechtsbewegung die Einführung einer staatlichen Jobgarantie und sah dies als Maßnahme, die wie keine andere sozialen und ökonomischen Fortschritt für die systematisch benachteiligte afroamerikanische Gesellschaft brächte. Nicht umsonst war sein bekannter March on Washington offiziell als March on Washington for Jobs and Freedom benannt. Konsequente Vollbeschäftigungspolitik und die Verwirklichung des in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte beinhalteten »Recht auf Arbeit« gehört wieder ins Profil linker Politik. Das Konzept der staatlichen Jobgarantie kann ihr Comeback verkörpern!
Nicht erst seit Corona ist die Eurozone von hoher Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung geplagt. Dazu kommen jetzt noch die Millionen Menschen, die pandemiebedingt zu monatelanger Kurzarbeit und schmerzhaften Einkommenseinbußen verdonnert sind. Dabei bedeutet Arbeitslosigkeit für die Betroffenen längst nicht nur leere Geldbeutel. Ein Job ist mehr als Einkommen. Ein Job ermöglicht Integration in ein soziales Umfeld. Ein Job ermöglicht einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Ein Job ermöglicht seine Stärken auszuleben und dafür Wertschätzung zu erhalten. Wer arbeiten möchte, aber keine (vernünftige) Stelle findet, dem bleibt all das verwehrt. Die Folge: ausbleibende Wertschätzung, Ausgrenzung, Diskriminierung, Unsicherheit und Zukunftsängste. Eine große Last für die Betroffenen – und deren soziales Umfeld. Eine Zumutung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Demokratie. Und – ökonomisch gesehen – eine Verschwendung der wertvollen Ressource Arbeitskraft!
Arbeitsplatzsuche gleicht Verdrängungswettbewerb
Die Verantwortung für Arbeitslosigkeit wird häufig den Einzelpersonen zugeschrieben. Doch spätestens die Corona-Krise sollte gezeigt haben: unfreiwillige Arbeitslosigkeit ist vor allem ein makroökonomisches und kein individuelles Problem. Weil die Wirtschaft pandemiebedingt lahmt, sind Menschen in Kurzarbeit und Erwerbslosigkeit gefallen. Wer vorher schon arbeitslos war, der hat heute erst recht keine Chance. Unter den Arbeitssuchenden herrscht ein frustrierender Verdrängungswettbewerb um die knappen Jobs.
Dieser Umstand lässt sich verallgemeinern: Wenn der Privatsektor keine Aussicht auf bessere Auftragslage hat, dann wird er keine zusätzlichen Arbeitskräfte nachfragen, dann herrscht ein Mangel an Jobs. Dafür sind nicht die Einzelpersonen und auch nicht die private Wirtschaft verantwortlich. Die Karte liegt bei der Wirtschaftspolitik! […]
Autor: Maurice Höfgen
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